Prof. Mittermeier, emeritierter Ordinarius der Universität Homburg/Saar, bezeichnete anläßlich der Integration der Chirotherapie in die Weiterbildungsordnung der deutschen Ärzteschaft die Chirotherapie als erweiterte und verfeinerte Form konservativer Orthopädie. Das bedeutet für den chirotherapeutisch tätigen Arzt Kenntnisse im Bereich der Biomechanik, der funktionellen Anatomie sowie Kenntnisse hinsichtlich Diagnostik struktureller konservativ orthopädischer Erkrankungen und Kenntnisse hinsichtlich Diagnostik und Therapie funktioneller Störungen des Bewegungssystems einschließlich der Verkettungen. Die Chirotherapie – Manuelle Medizin befasst sich somit mit den Funktionsstörungen des Bewegungssystems und muß diese differential-diagnostisch gegen organisch strukturelle Erkrankungen abgrenzen.( z.B. Verschleiß der Gelenke). In der Vergangenheit war Chirotherapie dafür der gebräuchliche Begriff, da überwiegend manipulative Techniken mit Impuls (Einrenken) zur Anwendung kamen.
Mit Entwicklung der sog. ostheopathischen Techniken, weiche Techniken, die sich der Struktur vorsichtig und einfühlsam nähern, wird die Therapie aus Manipulation, Mobilisation und weichen osteopathischen Techniken zunehmend komplexhaft als Manuelle Medizin bezeichnet.
Während es Manipulation (das Einrenken von Gliedern) schon immer gab – häufig waren es Laientherapeuten, die die Kenntnisse von Generation zu Generation weitergaben – sind die weichen osteopathischen Techniken noch nicht so alt. Der Begriff Osteopathie wurde Ende des 19. Jahrhunderts von Dr. Andrew Taylor Still geprägt, ein Arzt aus Kansas City USA, der selbst noch keine weichen Techniken anwandte, sondern sog. HVLA-Techniken, wie er sie nannte, (High Velocity Low Amplitude), dem wir Kenntnisse über die Wechselbeziehung zwischen Wirbelsäule und inneren Organen und umgekehrt verdanken.
Unter dem Oberbegriff Osteopathie haben sich dann im Laufe der Zeit verschiedene weiche Techniken etabliert, sodaß heute der Eindruck entsteht, dass in der Osteopathie nur weiche Techniken verwandt werden. Solche weichen Techniken in der Osteopathie sind die Strain Counterstrain Technik, die Myofascial Release Technik, die Muskelenergietechnik (MET) und die postisometrische Relaxation (PIR). Das Ziel all dieser Untersuchungs- und Behandlungsverfahren ist die Beseitigung oder zumindest Linderung von Beschwerden, ausgehend vom Bewegungsapparat. Die viszerale Osteopathie und die craniosacrale Osteopathie besitzen hinsichtlich Zielsetzung Eigenständigkeit. Die craniosacrale Osteopathie wurde von William G. Sutherland , Schüler von Still, um 1920 entwickelt.
Alle bisher aufgezeigten Untersuchungs- und Behandlungsverfahren, ob Manipulation, HVLA oder die sog. weichen Techniken, verdeutlichen die unterschiedliche Sichtweise früherer Therapeuten und deren verschiedene Herangehensweise an das gleiche Problem, jenachdem ob man glaubte, dass das Problem primär durch eine Funktionsstörung ausgehend vom Gelenk oder von einem primären Schaden im Gelenk umgebenden Gewebe (Muskulatur, Sehnen, Bänder) oder von einem inneren Organ verursacht sei. Sie ist gleichzeitig eine historische Dokumentation von Behandlung einzelner Aspekte einer globalen Zusammenhangskette. Alles hängt mit Allem zusammen.
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